Am 3. und 4. Oktober fand dieses Jahr wieder die beliebte Tagung „Oma kommt aus Schlesien“ im HAUS SCHLESIEN in Königswinter-Heisterbacherrott statt, dieses Jahr aufgrund der Coronaeinschränkungen im kleineren Rahmen. 20 Teilnehmer aus verschiedenen Regionen Deutschlands (vom Rheinland bis Berlin) und vier Referenten sprachen über die Erfahrungen mit Flucht, Vertreibung und Aussiedlung im 20. Jahrhundert und darüber, wie die zweite und dritte Generation, die das Thema oft nur aus Erzählungen kannte – wenn denn in der Familie überhaupt darüber gesprochen wurde – die Erlebnisse ihrer Mütter, Väter und Großeltern verarbeitet.
Nach jedem Vortrag hatten die Teilnehmer die Gelegenheit in Kleingruppen von sieben bis acht Teilnehmern die Inhalte des Vortrages zu besprechen und Erfahrungen auszutauschen. Aufgrund der im Vergleich zum letzten Jahr kleineren Gruppen (damals war die Veranstaltung mit 36 Teilnehmern sofort ausgebucht und es musste eine Warteliste angelegt werden) entwickelten sich überaus interessante und offene Gespräche über Heimatverlust der Eltern bzw. Großeltern und die Ungewissheit, diese Heimat jemals wiederzusehen. Auch die Nachwirkungen der traumatisierenden Erlebnisse auf die Kinder und Kindeskinder sowie die Verdrängung des Schmerzes der Vertriebenen aus der Öffentlichkeit aufgrund der deutschen Kriegsschuld wurden thematisiert. Auch befassten sich die Gespräche mit der Frage, wie diese Erfahrungen bzw. ihre Nachwirkungen verarbeitet werden können, wenn die Eltern und Großeltern nicht mehr leben. Dazu können Literatur, das Aufschreiben des Erinnerten und die Vernetzung und Diskussion mit Menschen, die Ähnliches erlebten, dienen. Hier leisten Seminare wie dieses einen wichtigen Beitrag, weshalb es auch im kommenden Jahr wieder angeboten werden soll, um Menschen zusammenzubringen und ihnen in der geschützten Atmosphäre ein offenes Gespräch zu ermöglichen.
Auch die oberschlesischen Aussiedler der 1970er und 1980er Jahre hatten mit schweren Erlebnissen zu kämpfen, sei es noch in Polen, wo nach dem Krieg speziell in Oberschlesien das Sprechen der deutschen Sprache und des oberschlesischen Dialektes unterdrückt wurde, oder nach dem völligen Aufgeben des alten Lebens und dem Neuanfang mit nur zwei Koffern im Westen. Fehlende deutsche Sprachkenntnisse und ein polnischer Akzent erschwerten die Akzeptanz in der neuen Heimat und lösten bisweilen auch Identitätskrisen aus. Besonders Jugendliche entwickelten deshalb oft eine Abwehrhaltung.
Vor allem in NRW haben die oberschlesischen Aussiedler einen immensen demografischen und wirtschaftlichen Beitrag geleistet und außerdem die sterbenden katholischen Kirchengemeinden am Leben gehalten. Sie sind vorbildlich integriert, ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft und Brücke zu Polen. Doch wurden auch sie niemals gefragt, mit welchen Herausforderungen sie es zu tun bekamen, vor welche Probleme sie sich in einer ihnen teils ablehnend gegenüberstehenden Gesellschaft gestellt sahen.
Das bereits von Herrn Adam Wojtala (HAUS SCHLESIEN) an das Kulturreferat herangetragene Format wird mit dem Ziel formalisiert, eine entsprechende Parallelveranstaltung zu entwickeln. Überdies wird in den kommenden Monaten ein Zeitzeugenprojekt aufgebaut, wo die Aussiedler und Aussiedlerkinder aus Oberschlesien zu Wort kommen werden – auch als Ausdruck von Wertschätzung ihrer Integrationsleistung in der BRD.
1. Gesprächsrunde bei Kaffee und Kuchen in der Bibliothek des HAUS SCHLESIEN.
2. Achim Westerholt bei seinem Vortrag „Neue Heimat? Zur Ankunft der Flüchtlinge und Vertriebenen“.
3. Führung durch das Museum durch Nicola Remig, Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums im HAUS SCHLESIEN.
4. Abschlussrunde, moderiert von Nicola Remig (HAUS SCHLESIEN) und dem Kulturreferenten für Oberschlesien, Dr. David Skrabania.